Freitag, 24. Januar 2014

Osama  

"Das Hilltop-Hotel steht in der Ngiriama Road mitten in Nairobi. Draußen auf der belebten Straße gibt es Schuhputzer, Stände mit Rubbellosen, Taxifahrer, verstaubte Läden, in denen Schreibwaren, Reis, Gewürze aus Sansibar, Konservendosen und frische Tomaten verkauft werden: ein Stück die Straße runter ist ein indisches Restaurant."

Verlag: Rogner & Bernhard - 302 Seiten - ISBN: 3954030144 - Veröffentlichung: 2013 - Originaltitel: Osama

Klappentext

In einer Welt, in der Terrorismus nur in der Fantasie existiert, sucht ein Mann nach dem Schöpfer von Osama bin Laden.

Meine Meinung

Das Buch spielt in einer Welt, in der 9/11 und sämtliche Terroranschläge nicht stattgefunden haben. Es gibt keinen Terror. Es gibt keinen Osama bin Laden. Jedenfalls nicht real, sondern nur als Romanfigur. Als Superbösewicht, der scheinbar für alle Terroranschläge auf Erden verantwortlich ist. Das personifizierte Böse. Niemand kommt ihm auf die Spur und könnte ihn stoppen. 

Die Grundidee des Buches ist fantastisch. Sowohl im Sinne von fantasievoll (das Buch hat nicht umsonst den "World Fantasy Award gewonnen"), als auch im Sinne von genial... so viel Potential. Man stelle sich einmal vor, man lebe in einer Welt ohne Terrorismus und dann erscheinen Bücher, in denen solche Gräueltaten beschrieben werden. Wie ein Thriller aus der Zukunft oder eine Dystopie. Wie verrückt muss dieser Autor bloß sein, der solche Bücher schreibt. Oder doch bahnbrechend?
Zwischendurch gibt es immer kleine "Leckerbissen" aus den Osama-Büchern, bei denen immer irgendwas auf irgendeine Art und Weise in die Luft fliegt.

Zu Beginn, aber wirklich nur auf den ersten Seiten, startet das Buch völlig gewöhnlich: Eine Frau beauftragt einen Privatdetektiv, einen Mann zu finden; den Autor der Osama-Bücher. Und dann geht es los. Es wird undurchsichtig und abgedreht. Und verwirrend.

Mir haben sich während des Lesens so viele Fragen gestellt, was es nun nicht leichter macht, über das Buch zu schreiben. 
Ich habe die ganze Zeit nicht so richtig durchblickt, was da vor sich geht. Also eigentlich fast von Anfang an.. bis zum Schluss. Vielleicht interpretiere ich auch zu viel in die Geschichte rein. Aber ich denke eher, dass ich sie nicht richtig kapiert habe. 
Nun, ich finde das Buch wirklich tiefsinnig und philosophisch. Es gibt viele starke Formulierungen und Sätze, die sicherlich für den ein oder anderen Denkanstoß sorgen. Abgesehen von der, wie eingangs erwähnten, tollen Grundidee. 
Aber tiefsinnige Sätze wie 

"Er dachte an Freiheit. Das war das, was man hatte, wenn man nichts mehr zu verlieren hatte." 

ergeben kein stimmiges Ganzes.

Ich hatte am Ende der (meist kurzen) Kapitel oft das Gefühl oder vielmehr die Hoffnung, dass es im nächsten Kapitel richtig los geht und die Geschichte ins Rollen kommt. Aber daraus wurde nichts. Es wird nur noch verwirrender. 

Die Geschichte verbreitet eine bedrückende Grundstimmung. Wie kann es sein, dass sich bei mir beim Lesen einer Geschichte über eine Welt, in der es lediglich fiktiven Terror gibt, eine beklemmende Stimmung einstellt? Das Kapitel "Geistergeschichten" hat mich an dieser Stelle überrascht und verstört, weil es perfekt in die Geschichte eingefügt wird. Verstörend und real.
Teilweise erinnerte mich die Geschichte, was die Stimmung angeht, an das Ende von Orwells "1984".

Ein großes Thema im Buch ist die Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion. Ich wusste selten, und vermehrt gegen Ende des Buches, nicht, was wahr ist und was nicht. Und Joe, die Hauptfigur, genauso wenig.. Meine Güte, wie soll ich als Leser das denn wissen, wenn der Protagonist es noch nicht mal auf die Reihe bekommt..? 
Überhaupt macht Joe nicht den gesündesten psychologischen Eindruck. Und im Laufe der Geschichte verschlechtert sich dieser Zustand zusehends. Hat er Wahnvorstellungen? Ist er paranoid? Sind es lediglich Entzugserscheinungen? Wer ist er überhaupt und vor allem wann? Kommt er gar aus der Zukunft? 
Das mag jetzt alles völlig konfus klingen, aber solche Fragen haben sich mir gestellt und das ist nur ein Bruchteil meiner Gedanken.. 
Zumindest eine große Frage kann am Ende geklärt werden.
Aber nicht, was der tiefere Sinn hinter all dem ist. Zumindest ist es für mich nicht ersichtlich.

Fazit

Das Buch bietet einige positive Aspekte, besonders ist hier wieder die überragende Grundidee zu nennen. Hinzu der ein oder andere (philosophische) Denkanstoß, was das Buch im Gesamtpaket auf eine Art "nachhaltig" macht.
Allerdings stellte sich bei mir kein Lesefluss- oder Drang ein. Ich hatte einige Male das Gefühl, dass mein Kopf raucht und musste einige Stellen mehrmals lesen. Stellenweise habe ich mich gefühlt, wie Alice im Wunderland (was auch im Buch angedeutet wird). 
Das Buch könnte von 1-5 alle Eselsohren bekommen (ja, hahaha, das könnte jedes Buch..). 
Die Geschichte ist so kreativ und tiefsinnig. Wenn man sie noch öfter lesen würde, würde man 1000%-ig bei jedem Anlauf andere Blickwinkel für sich finden und dem Rätsel oder der Idee des Autors weiter auf die Spur kommen. 

"Osama" ist ein besonderes Buch. Speziell. Innovativ, wie die Osama-Bücher im Buch. Kein klassischer Roman. Jeder Leser wird seine eigene Interpretation bzw. mehrere von ihnen, für sich entdecken. Mir war "Osama" aber für einmaliges Lesen zu komplex bzw. kompliziert. Deshalb:




Kleine Randnotiz: Lavie Tidhar und seine Frau lebten 2004 in Nairobi im gleichen Hotel, wie die Selbstmordattentäter von Al-Qaida. Dies und die Tatsache, dass die beiden 2004 und 2005 nur knapp Anschlägen entkamen, machen sowohl das Vorwort als auch den Prolog bedrückend und real.
Seine Erfahrungen hat er in der Kurzgeschichte "My travels with Al-Qaeda" niedergeschrieben.


Besten Dank an Rogner & Bernhard

2 Kommentare:

Friedelchen hat gesagt…

Hi Micha,
danke für deinen Kommentar. Mir lag das Buch auch sehr schwer im Magen, ich musste oft beim Lesen erstmal tief durchatmen.

Schade dass dieses hier so verwirrend zu sein scheint, die Idee hat mich gleich neugierig gemacht, aber ich mag es nicht, wenn wirklich so undurchsichtig ist, was real ist und was nicht. Ich hab zwar nix dagegen, mitzudenken, aber das Lesen sollte nicht zur kopfqualmenden Anstrengung werden :-)

wassollichlesen hat gesagt…

Also wie gesagt: das Thema bzw. die Idee ist groß. Mitdenken auch, sonst wärs zu einfach,aber.... Seiten mehrfach lesen geht nicht. Ist ja kein Schulbuch ;-)